Viaggio a Mantova

UN VIAGGIO A MANTOVA

Palazzo té

Palazzo Tè

La caduta dei giganti

Palazzo Tè

La stanza degli sposi

Kunstreise nach Mantova

15.05. - 28.05.2022


Eine bessere Vorbereitung auf eine Reise, zumal Kunstreise, könnte man sich kaum vorstellen: In mehreren Sitzungen über ZOOM hatte Irene Musolino M.A. (Berlin) uns schon im Vorfeld in die Gedankenwelt der Renaissance und speziell des Universalgenies und Architekten Leon Battista Alberti, eines Wegbereiters und Erneuerers, eingeführt. Und ihr Vortrag zum genialen Andrea Mantegna versprach höchsten Kunstgenuss. Welch ein Erlebnis, in der Camera degli Sposi im Palazzo Ducale in die Geschichten einzutauchen, die das den ganzen Raum einnehmende Fesko Mantegnas erzählt; zu sehen wie Ludovico Gonzaga, der ein Schreiben empfangen hat, sich seinem Sekretär zuwendet; wie der blaue Vorhang aus dem Bild herausweht; wie die schönen Jagdhunde vorsichtig eine Pfote über die architektonische Bildbegrenzung hinausschieben; wie Barbarina, kostbar gekleidet, den Kopf wendet: was mag sie nur denken? Ahnt sie, was sie am Hofe von Eberhard im Barte im württembergischen Urach erwartet, wenn sie den Glanz des Mantovaner Hofs verlässt? Eine Antwort  auf die besonderen Beziehungen zwischen den Gonzaga und dem Hause Württemberg finden wir im Archivio di Stato.


Ludovico Gonzaga

Fresko von Giulio Romano

Button

Biblioteca Teresiana

Button

Mantova Lago Superiore

Button


Die Stadt, ein einziges Kunstwerk auf engstem Raum, zu Fuß leicht zu durchmessen von der Piazza Sordello aus mit dem Dom, der „Winterkirche“ der Mantovaner, und dem Palazzo Ducale, von dem aus das Geschlecht der Gonzaga vierhundert Jahre lang herrschte, über die Piazza Broletto und Piazza delle Erbe zur „Sommerkirche“ der Mantovaner, S. Andrea von Leon Battista Alberti. Welch ein Raumwunder, das neben so vielem vom Willen der Gonzaga zeugt, sich auch und gerade über die Kunst als Herrscher zu definieren.


Wir wandern in der Stadt durch die Jahrhunderte, staunen über den Palazzo del Te mit den Fresken von Giulio Romano, dem Schüler Raffaellos, der so ganz offensichtlich mit gelegentlich derber Lust und dem Vergnügen an der Verwirrung des Betrachters spielt. Wir besuchen die Biblioteca Teresiana und spüren die Anerkennung, die man der österreichischen Kaiserin noch heute zollt, weil sie nach Mantova nicht als Ausbeuter kam, sondern als Förderer; ganz anders als Napoleon. Und während in Venedig noch das Verdienst Napoleons, die Friedhöfe wegen der Hygiene aus der beengten Stadt auf die Toteninsel San Michele verlegt zu haben, erwähnt wird, findet in Mantova unsere Führerin kaum ein gutes Wort für ihn. Wir laufen durch das jüdische Viertel, das einstmals ausgegrenzt und durch einen stinkenden Graben, in den die Schlachtabfälle geworfen wurden, vom Rest der Stadt getrennt war, immer mehr verfiel, doch inzwischen zu den wohlhabendsten Vierteln der Stadt gehört. Mit dem Teatro Bibiena, einem „wissenschaftlichen Theater“, das für Vorträge konzipiert wurde, aber so gar nicht wissenschaftlich nüchtern daherkommt, befinden wir uns schon im 18. Jahrhundert; und im Palazzo d'Arco mit seinen reich möblierten und dekorierten Räumen können wir uns ein Bild vom Leben der adligen Oberschicht Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts machen. 


Auch vor den Toren der Stadt  haben die Gonzaga ihre Spuren hinterlassen. Unser Weg führt uns nach Curtatone, wo wir die Wallfahrtskirche Madonna delle Grazie mit ihren außergewöhnlichen Votivgaben besuchen. Und in Sabbioneta errichtete Vespasiano Gonzaga im 16. Jhdt. seine von einer Festungsmauer umgebene Idealstadt, eine Blüte der Renaissance, deren Glanz man heute nur noch erahnen kann.


In der Klosteranlage von San Benedetto Po begegnen wir zwei Bekannten wieder: der auch in Mantova gegenwärtigen Matilda; gemeint ist Matilda di Canossa, eine der einflussreichsten und mächtigsten Frauen im 12. Jahrhundert, die mit Kaiser und Papst Umgang pflegte und im Investiturstreit eine Rolle spielte. Sie war über den Gründer des Klosters, ihren Großvater väterlicherseits, den Conte di Mantova Tedaldo di Canossa, in den Besitz der Anlage gekommen. Der zweite Bekannte ist Giulio Romano, der Hofmaler und -architekt der Gonzaga, der von diesen zur Neustrukturierung der Klosteranlage „ausgeliehen“ wurde.


Schließlich unser Abstecher nach Verona und San Zeno, ein Abstecher, der sich dank unserer hochgeschätzten Führerin, der Kunsthistorikerin und Theologin Eszter Brunet, als der kunsthistorische Höhepunkt unserer Reise erweist. Mit ihr können wir ein noch nicht öffentlich zugängliches Fresko anschauen, das den Staufer Friedrich II darstellt, wie er verschiedene Stände empfängt. Und überwältigend in seiner Plastizität und Tiefenwirkung ist das Triptychon von Andrea Mantegna, das wir aus nächster Nähe betrachten dürfen.


Dieses reiche Programm an Besichtigungen und Führungen verdanken wir der kundigen Planung von Inge Rode,  -  ihr gilt an dieser Stelle unser aufrichtiger Dank!   -    die trotz aller organisatorischer Widerstände diese Reise für uns unvergesslich gemacht hat. Da kann man sich kaum vorstellen, dass der Baedeker von 1891 einen „4-6stündigen, immerhin sehr lohnenden Aufenthalt“ empfiehlt, um gleichzeitig wegen der vielen Mücken „vor dem Übernachten zu warnen“. Mücken haben uns wohl nicht geplagt, dafür hatten wir umso mehr unter den auch in Mantova zu dieser Jahreszeit ungewöhnlichen Temperaturen von bis zu 34 Grad zu leiden. Die dicken Palastmauern und kühlen Kirchen hier und da waren daher mehr als willkommen.

Und zum Schluss noch einmal Leon Battista Alberti, der nicht nur ein genialer Architekt, sondern auch ein amüsanter Schriftsteller war: In seinem Roman „Momus“ in lateinischer Sprache  wird ebendieser Momus, Gott der Kritik und Nörgelei,  aus dem Olymp geworfen und unter die Sterblichen verbannt, denen er das Beten und Opfern beibringt und damit den Göttern das Leben zur Hölle macht. Nach seiner Rückkehr in den Olymp berichtet Momus den Göttern, wie es sich unter den Menschen lebt und welches die beste berufliche Tätigkeit sei, nämlich das Betteln. „Dieser Beruf besteht ganz in Sorglosigkeit, Nachlässigkeit und dem völligen Mangel an allem, was sonst als notwendig erachtet wird (….). Wenn du den eigenen Besitz verlierst, musst du es nur gut mit dir selbst meinen und einen anderen um sein Eigentum bitten.“ Wer wollte da, angesichts der Bettler, denen wir Tag ein Tag aus auf den Straßen und Plätzen begegnet sind, leugnen, dass der Geist Albertis noch immer durch diese Stadt schwebt ….

D.R.

Share by: